Erfahrungsbericht eines Kollegen aus einer Wohneinrichtung

Florian Baas beim Praxisanleiter-Gespräch mit der Auszubildenden Marie-Luise Fleischer.


Unser Kollege Florian Baas erzählt von seiner Arbeit und seinem Alltag als Heilerziehungspfleger in der Albrecht-Tuckermann-Wohnanlage.

„Seit 20 Jahren arbeite ich in der Albrecht-Tuckermann-Wohnanlage. Ich habe hier bereits von 2003 bis 2006 meine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger gemacht. Im Anschluss wurde ich dort übernommen und bin seitdem in der Betreuung tätig. Seit vielen Jahren begleite ich jetzt selbst Auszubildende der Heilerziehungspflege als Praxisanleiter. Dies geschieht immer in enger Kooperation mit den Schulen für Sozialwesen.

Die Bezeichnung meines Berufes als Heilerziehungspflegers setzt sich aus den Begriffen ‚Heilen‘, ‚Erziehen‘ und ‚Pflegen‘ zusammen. Das Wort ‚Heilen‘ ist nicht im medizinischen Sinne zu verstehen, sondern bedeutet vielmehr ‚ganzheitlich‘. Die ganzheitliche Sichtweise eines Menschen steht in der Heilerziehungspflege im Mittelpunkt. Der Mensch wird als Individuum und unter Berücksichtigung aller seiner persönlichen Eigenschaften wahrgenommen und verstanden.

Kernaufgaben der Heilerziehungspflege sind:

  • Sicherstellung von Teilhabe und Begleitung im Sozialraum
  • Unterstützung bei der Kontaktpflege zu Mitmenschen und in Partnerschaften
  • Hilfestellung und Assistenz bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben
  • Bildungsangebote planen, anbieten und durchführen
  • Unterstützung bei der Wahrnehmung von Freizeitaktivitäten und Hobbys
  • Umsetzung von ärztlichen Anordnungen
  • Kooperation mit externen Institutionen (Therapeut*innen, Werkstatt, Tagesförderstätte usw.)
  • Angehörigenarbeit unter Einbeziehung der Bewohner*innen
  • Biografiearbeit, um den Menschen individuell zu verstehen
  • Bedarfsermittlung, Anleitung und Assistenz bei der Nutzung von UK-Materialien
  • Aufrechterhaltung und Erwerb von persönlichen Kompetenzen
  • Unterstützung bei Ablöseprozessen (z.B. Einzug in die Wohneinrichtung)
  • Berücksichtigung des Autonomiebedürfnisses sowie der Selbstbestimmung
  •  Unterstützung und enge Begleitung bei persönlichen Krisen und Konflikten
  • Hilfestellung und Unterstützung bei der Trauerbewältigung
  • Assistenz bei der persönlichen Lebensplanung
  • Ermittlung und Förderung vorhandener Ressourcen

Die beschriebenen Schwerpunkte integriere ich, immer dem Menschen und der Situation angepasst, in den gelebten Alltag der Bewohner*innen. Die Tätigkeit als Heilerziehungspfleger in einer Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderung kann nur durch Teamarbeit funktionieren! Das gemeinsame Arbeiten bietet die Möglichkeit, sich fachlich auszutauschen, Abläufe zu verstehen und gemeinsam die bestmögliche Betreuung der Bewohner*innen sicherzustellen. Ebenso bietet ein funktionierendes Team eine Vielzahl an Kompetenzen, die dazu beitragen, die Betreuungsaufgaben noch besser auf die zu betreuenden Menschen abzustimmen und dem ganzheitlichen Gedanken sowie unserem Leitbild „Wir begleiten Lebenswege“ gerecht zu werden.

Als Heilerziehungspfleger gehört es auch zu meinen Aufgaben, individuelle Teilhabeplanungen zu erstellen, diese Umzusetzen und regelmäßig zu evaluieren sowie eine pflegerische und pädagogische Dokumentation zu führen. Ebenso nehme ich an Team- und Fallbesprechungen sowie an den angebotenen Fortbildungen und Supervisionen teil.

Mein Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich: Die Arbeit in meiner Wohngruppe mit neun Bewohner*innen gestaltet sich täglich neu. Ein ’statisches Arbeiten‘ ist in der Heilerziehungspflege nicht zielführend. Mein Anspruch ist es, Teil der Weiterentwicklung der Menschen zu sein. Dies geschieht in einem ständig fortschreitenden Prozess. Wünsche und Bedürfnisse der Menschen ändern sich, Kompetenzen werden erworben oder reduzieren sich. Hierbei ist es essentiell, dass ich eine Veränderung frühzeitig beobachte. Dadurch gelingt es, Routinen anzupassen und eine gezielte Hilfestellung und Assistenz zu gewährleisten.

Mein Ziel ist es, größtmögliche Autonomie und Selbstbestimmung der Bewohner*innen sicherzustellen. In meinem beruflichen Alltag setze ich dies zum Beispiel im Pflegeprozess um. Ich unterstütze den Menschen individuell nach seinem Bedarf und verzichte bewusst darauf, Handlungen stellvertretend zu übernehmen, wenn er in der Lage dazu ist, diese selbst mit geeigneter Anleitung und Assistenz eigenständig umzusetzen. Tätigkeiten und Abläufe trenne ich hierbei nicht in verschiedene Handlungsschritte, sondern inkludiere zum Beispiel die pädagogische Anleitung und Begleitung in die Durchführung eines bereits stattfindenden Ablaufes.

Durch meine Tätigkeit in einer Einrichtung des Gemeinschaftlichen Wohnens ist es mir möglich, Menschen über das ganze Jahr zu begleiten. So feiere ich unter anderem gemeinsam mit den Bewohner*innen Weihnachten und Silvester, plane und nehme an begleiteten Urlaubsreisen teil, biete Kinobesuche sowie die Teilnahme an kulturellen Festen an. Besonders diese langfristige und umfängliche Begleitung empfinde ich als äußerst wichtig für den Aufbau und Aufrechterhaltung einer gelungenen Beziehungsarbeit, ohne die eine dem Menschen angemessene Betreuung für mich nicht möglich scheint.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich meinen Beruf des Heilerziehungspflegers als als positiv fordernd und als erfüllend und abwechslungsreich empfinde. In unserer Einrichtung, der Albrecht- Tuckermann- Wohnanlage, wird dies durch ein tolles kollegiales Arbeitsklima sowie der Unterstützung der Leitungskräfte bestärkt. Während meiner gesamten Tätigkeit wurden und werde ich bei meiner beruflichen ‚Selbstverwirklichung‘, dem teamorientierten Arbeiten sowie der Weiterentwicklung unterstützt.“